Sonntag, 10. Juli 2011

Etappe 10: Die See sehn…


Everinghausen (Nähe Bremen) – Büsum

Man konnte ihn bereits auf dem Weg dorthin riechen, den wunderbar reinen Geruch der Nordsee, den uns der niemals ermüdende Wind schon lange vor wir die Küste sehen konnten in die Nase trieb. Als sich bei Büsum langsam Schritt für Schritt sich die ebenso beeindruckende Nordsee zu unseren Füßen (bzw. Rädern) darnieder legte ging uns allen das Herz ein großes Stück weit auf – Wir sind tatsächlich mit dem Rad von Venedig an die Nordsee geradelt. Das müssen wir wohl noch ein bisschen sickern lassen bis wir es endgültig „überrissen“ haben werden.  Wirklich verstehen können es wohl die meisten Personen nicht, die uns entlang des Weges bereits auf diese Aufgabe angesprochen haben, und eins könnt ihr getrost glauben – Es vergeht kein Tag ohne die Frage „von wo kommt ihr denn her?“. Als hätte die  Antwort „Venedig“ nicht schon für genug Stirnrunzeln gesorgt, es wird noch besser. So manchem Radlerkollegen oder Passanten soll schon für eine kurze Weile die Luft weggeblieben sein, als wir die Frage nach unserem Endziel mit der nördlichen Spitze Europas erwiderten, und wir sagen „recht so!“, denn atemberaubend war die Tour bereits und sie wird es auch bleiben! Nur selten kommt es vor, dass wir Personen begegnen, die unseren Wahnsinn zu teilen scheinen – so geschehen in der idyllischen Hansestadt Stade, wo uns ein in einem Wort gesagt norddeutsches „Original“ (weißer Rauschebart, Seemannskappe…) ansprach und meinte, wir sollten ihm Hammerfest schön grüßen, da er dort selbst vor über 30 Jahren hingeradelt war… Vielleicht muss man aber auch wirklich selbst vom „Radvirus“ infiziert sein, um diese Gefühle nachempfinden zu können. In jedem Fall scheint internationale Solidarität unter Aktiven zu herrschen, so wurden Wolfgang H., Wolfgang St. und Peter heute von einer sehr hilfsbereiten und sportlich ebenso gut aufgestellten jungen Dame in die Altstadt von Stade geführt. Ein ebenfalls stattfindender Schützenaufmarsch kurz zuvor demonstrierte die Lebensfreude der Menschen in der Region, denen in Restdeutschland gerne nachgesagt wird, charakterlich ihren Windböen zu ähneln – Kalt und abweisend. Dazu können wir nur sagen – Vorurteil nicht widerlegt, sondern der Lächerlichkeit preisgegeben. Wir hoffen auf mehr Begegnungen, um nicht nur das Land (bzw. die Länder) sondern auch die Leute zu erleben. 

Endgültig gelichtet haben sich die Fachwerklandschaften der Dörfer, die wir bereits unterwegs bewundern durften – unsere Strecken sind nun von mit Liebe zum Detail aufgezogenen Backsteinbauten, sowie besonders beeindruckend, schilfgedeckten, kleinen „Knusperhäuschen“ gesäumt. Manchmal fühlt es sich durch die langen Alleen und die Dörfer entlang Weser und Elbe so an, als würde eine unsichtbare Kraft die Szenarien an unserem Radteam vorbeiziehen, sie durch ein Bühnenbild eines Schauspiels lotsen. Es ist unverkennbar, die Landschaft verändert ihr Gesicht. Ob es die großartige, mächtige Elbe ist, die wir heute von Wischhafen nach Glückstadt queren durften, der Fährbetrieb über den Nord-Ostseekanal oder eben die natürliche Schönheit der Nordsee, die uns gerade vor wenigen Minuten, und wir schreiben inzwischen 22:48 Uhr (!), einen herrlichen Sonnenuntergang beschert hat. Morgen erwartet uns dann Sylt, die Trauminsel des Nordens, wo wir uns eine wohl verdiente Reha-Pause gönnen werden.

Aber noch sind wir nicht am Ende für den heutigen Etappentag, wir haben für euch noch ein Ass im Ärmel, geschätzte Leserinnen und Leser! Wie ihr sicher bemerkt habt haben wir nun schon zehn Etappentage hinter uns gebracht. Grund genug, ein kurzes, zahlenmäßiges Zwischenfazit über unseren bisherigen Trip zu ziehen.
Gerade erst haben wir uns über den Fall des ersten „Tausenders“ gefreut, schon wackelt der zweite ganz bedenklich. Durch die 192 Kilometer des heutigen Tages kommen wir nun bereits auf eine Gesamtkilometerzahl von 1801! Zum Vergleich, das wäre fast fünf Mal die Strecke Graz-Innsbruck…
Über drei Tage saßen unsere Athleten bisher im Sattel, eine Gesamtstundenzahl von 74,26 lässt die 24 Stunden von Le Mans wie ein Anfängerschaulaufen wirken!      Der höchste Berg der Erde mit einer Gesamthöhe von 8848 Metern wäre bereits nicht mehr hoch genug, um die bisherige Höhenmeterleistung zu tragen – mit 10.145 aufgestiegenen Höhenmetern müssen wir uns eher in die Tiefe orientieren, wir sind beinahe den gesamten Marianengraben hinuntergefahren!
Und das mit einem Schnitt von immerhin 23,33 km/H – angesichts der zahlreichen Steigungen die immer wieder in der Strecke zu finden waren ebenso eine durchaus respektable Leistung!
Fast 94 Wiener Schnitzel vom Schwein, oder knapp 232 Krügerl Bier, in unserem  konkreten Falle auch nicht uninteressant, 286 Vierterln Wein (keine Sorge, kein tatsächlicher Verbrauch ;) ) haben unsere „Pedalos“ bereits runtergestrampelt – dies alles sind Werte, die anschaulich machen sollen wieviel 48.655 Kalorien tatsächlich sind, genau diese Menge wurde bisher auf den Rädern verbrannt!

Ich möchte mich bei euch wie immer fürs lesen bedanken, hoffe dass ihr uns treu bleibt und verabschiede mich mit unserem internen Radlergruß „Aloha!“ jetzt in meinen nach mir schreienden Schlafsack!
Gute Nacht,

Jakob

für das Team Venedig-Nordkap 2011

Datum
Gefahrene Strecke
Nettozeit
Durchschnittsgeschwindigkeit
Aufgestiegene Höhenmeter
Verbrauchte Kalorien
10.7.2011
192 km
07:58
24,01 km/h
466 m
4800 kcal

 Auf Besuch beim Schützenaufmarsch in Hersdorf - die eleganten Herren verstehen sich blenden mit unseren Radlern!
 240 km Tags zuvor zeigen Wirkung - Ein kurzer "Powernap" in der traumhaften Altstaft von Stade







6 Kommentare:

  1. "den seinen gibt's der herr im schlaf" - in diesem fall hoffentlich gesundheit, kraft und durchhaltevermögen. aber besonders an letzterem dürfte es ja in keinster weise mangeln...
    alles liebe von der im geiste mitreisenden, aber nicht mitradelnden
    myki

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  2. Liebe Radler, nach euren außerirdischen leistungen wünsche ich euch eine erholsame reha-pause auf sylt,da habt ihr euch wirklich einen schönen platz ausgesucht.Selbstverständlich gönne ich auch euren begleitern diese pause! Genießt die späten sonnenuntergänge im norden - sie haben wirklich einen eigenen charme.
    Wünsche euch eine gute regeneration und viel kraft fürs weiterfahren!
    Alles gute und liebe grüße aus dem heißen graz
    Jutta

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  3. Liebe Freunde + Mitstreiter!
    Erst heute konnte ich eure Blog-Seiten erstmals lesen, da ich auf Urlaub in Villach bin. Ich bewundere euch, denn nach den ersten 6 Etappen konnte ich mir zwar eine leichte Verbesserung vorstellen, aber solche Leistungen - Hut ab !!! Hat Peter den Düsentrieb gezündet ??? So werden die Profis bei der Tour de France zu Sonntagsfahrern. Da waren die Etappen über die Alpen gerade zum Einfahren. Mein Tipp zur Regeneration, erholt euch in Sylt gut für den 2. Teil und gebt acht auf eure Reserven - auch bei den Getränken und Regenerationsmitteln. Ich selber mußte bis heute pausieren so haben mir die "Wölfe" zugesetzt. Morgen gehts zum ersten mal wieder aufs Rad. Viel Glück zum 2000er und alle weiteren Km. Ich werde euch auch noch weiter verfolgen, im Urlaub vielleicht nicht täglich, zu Hause aber dann schon wieder.
    Viel Erfolg euer Miraculix

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  4. schade dass der blog auch für einen tag pausieren muss, aber die erholung haben sich alle (vor allem nach knapp 2000 km) mehr als nur verdient.
    ganz liebe grüße aus graz mit einem herzlichen "macht nur weiter so"!

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  5. WOW - IHR SEID DER WAHNSINN!!! kann mich miraculix nur anschließen - die profis der tour de france können sich eingraben. und zwar ganz tief im sand der dünen in denen ihr euch hoffentlich ordentlich entspannt und kraft für die weiteren etappen tankt.
    in diesem sinne wünsche ich dem gesamten team gute erholung!

    alles liebe aus graz,
    jakob's schwesterlein

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  6. Chapeau Ihr wilden Kurbler!

    Was für eine nachhaltige Leistung! Auch der Blog ist ein Vergnügen zu lesen.
    Wäre gerne dabei für die eine oder andere Etappe.
    LG, Johann

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