Mora – Åsarna (Region Jämtland)
„Wo sind wir jetzt gerade?“ –„Öhm, ja, weiß ned genau, aber dort dazwischen irgendwo müsst ma jetz grad sein…“
Dieser aus der heutigen Mittagspause entnommene Dialog spiegelt wider, inwieweit die Standortbestimmung immer schwieriger und schwieriger wird. Ist natürlich für die genaue Positionierung eher ungünstig, wenn du einerseits einen immer stärker werdenden Mangel an Ortschaften (Schweden weist eine Bevölkerungsdichte von 20 Ew./ km² auf - Vergleich dazu Österreich mit 100 und Deutschland mit 229) bemerkst und auch anhand der sich aber auch nicht das leiseste bisschen verändernden Landschaft sowas von gar keine Rückschlüsse ziehen kannst. Ist aber auch egal, unser Weg ist nicht besonders schwierig zu merken… Meist den „Inlandsvägen“ entlang, steil nach Norden von Ortschaft zu Ortschaft (wenn vorhanden…).
Dementsprechend nimmt mit den größeren Abständen zwischen besiedeltem Gebiet auch der Verkehr rapide ab – interessanterweise kommen die Fahrzeuge auf der E45 immer blockweise daher, ein Mal vier bis fünf hintereinander, dann lange Zeit nichts, und dann wieder ein Paket, und das in beide Richtungen. Die LKW in Schweden verhalten sich bis jetzt zwar diszipliniert, aber geben auch keinen Millimeter nach und ziehen mit Vollstoff, wenn auch mit gebührendem Abstand, an den drei radelnden Musketieren vorbei. Unterm Strich aber alles ungefährlich, nichts was ein Rennradfahrer nicht schon kennen würde.
Eines können wir auf jeden Fall sagen – es geht hier steiler rauf und runter als man beim Blick auf die Karte vielleicht vermuten würde, so hatten unsere Radler bereits zu Mittag über 1000 Höhenmeter abgestrampelt. Strampeln ist ein gutes Stichwort, zu Mittag hatten wir auf einer Passhöhe ein kurzes Pausenlager eingerichtet, als aus der entgegengesetzten Richtung zwei radelnde Gestalten am Horizont auftauchten – beide Drahtesel voll bepackt von hinten bis vorne machten die beiden bei uns eine kurze Verschnaufpause. Rolf und Jonathan Zuaw sind mit den Trekkingrädern von der schwedisch-finnischen Grenze bei Karesuando bis nach Kopenhagen unterwegs, müssen also ebenfalls das riesige, schier endlose Schweden durchqueren. Und das Beste – die beiden bloggen auch! Ihre Seite ist, wenn auch nur auf schwedisch verfasst, unter http://cyklakaresuandystad2011.blogspot.com erreichbar.
Der König der schwedischen Wälder erwies uns heute die Ehre seiner Audienz, majestätisch und erhaben. Ein riesiger Elch kreuzte unseren Weg, und beinahe hätten seine Majestät zwei Motorradfahrer königlich verräumt, die es nach der völlig unerwarteten Straßenquerung des imposanten Tieres gerade noch geschafft hatten, ihre Zweiräder rechtzeitig zum Stehen zu bringen. Vielleicht zehn Meter Abstand von unserer Radlermannschaft wahrte der imposante Großhirsch, die Schulterhöhe dürfte sich bei etwa zwei Meter bewegt haben, um mit riesigen, raumgreifenden Schritten die E45 aus dem Wald heraus zu queren. Tief beeindruckt mussten wir feststellen, egal ob du ihm reinfährst oder nicht – „Der verräumt dich, und garantiert nicht du ihn…“. Somit dürfen wir zwei der fünf auf unserer Liste der schwedischen „Big Five“ abhaken. Nach Elch und den Gelsen (Mistviecher…) fehlen uns nun noch Bär, Rentier und der strunzbesoffene Schwede (Gattung Gemeiner Schluckspecht, bewegt sich meist auf allen Vieren fort).
Im weiteren Verlauf prüfte uns die Jämtland genannte Region, unser heutiger Übernachtungsort Åsarna wird aufgrund seiner hohen Dichte an Goldmedaillengewinnern im Wintersport auch als das schwedische „Golddorf“ bezeichnet, mit sehr seltsamen Wetterphänomenen – strömender Regen bei strahlendem Sonnenschein. Skandinavien hat eben seine eigenen Gesetze.
Sag mir was du isst und ich sag dir wer du bist
Gesetze lassen sich auch in der Ernährung finden, wenn man sportliche Herausforderungen wie die unsere in Angriff nimmt. Dem einleitenden Satz folgend, müssten wir also absolute Fressverrückte sein. Tatsache ist jedoch, dass im Verlaufe eines im Schnitt mit 176 Kilometern ablaufenden Radltages dem Körper permanent neue Energie zugeführt werden muss. Dementsprechend üppig fällt der Speiseplan jeden Tag aus. Folgende Chronologie soll dies etwas verdeutlichen.
Für unseren Meisterkoch Günther Rath beginnt die Vorbereitung bereits am Vorabend, weil er sich bereits dann Gedanken über den Speiseplan des nächsten Tages machen muss. Zum Frühstück besteht das Menü zumeist aus Schwarzbrot und Toast mit zwei Eiern mit Schinken, gelegentlich mit Ei unterrührte Schinkenfleckerln, runtergespült mit hauptsächlich Tee und eher selten mit Kaffee. Dazu verschiedene Marmeladen, Butter und Multivitaminsaft – unterm Strich geht es bereits in der Früh darum, möglichst viel an Kalorien und Flüssigkeit zu sich zu nehmen, um den Körper auf die anstehende Belastung vorzubereiten und ihm eine Grundlage zu geben. Im Unterschied zu den Begleitern erhalten die Radfahrer dazu noch einen Energieshake (Peeroton Gainer), der hauptsächlich kohlehydrathaltig ist um einen weiteren Energieschub zu bekommen, so wie auf Gemüsebasis gründende Aufbaukapseln. Wichtig ist hierbei, die Energiezufuhrmittel nicht mit den Hilfsmitteln zur Regeneration zu verwechseln, dies kann sehr gegenteilige Effekte haben. Für unterwegs werden dann pro Radler noch jeweils zwei 0,75l Flaschen mit einem Elektrolytgetränk sowie ein paar Fruchtriegel für Unterwegs vorbereitet und dann geht’s richtig ab.
So ausgestattet sind die Herren dann etwa 70 km unterwegs, ohne alle ihre mitgeführten Reserven zu verbrauchen. Trotz allem wird von Zeit zu Zeit eine örtliche Bäckerei überfallen und „geplündert“. Die Akkus reichen dann normalerweise bis etwa 120 km, wo dann die vorgeplante, „große Pause“ mit dem Begleitfahrzeug stattfindet. Hier wird normalerweise eine weite Auswahl von Dosenfisch bis hin zu Streichwurst kredenzt, dazu ein Cola (wichtig für den Zuckerhaushalt, sonst trinken unsere Radler das gesamte Jahr über kein Cola…) und eventuell ein Nachfüllen der Getränkeflaschen. Dem folgt meist ein halbstündiges Powernap.
Davon aufgepowert und gerüstet geht es dann ab etwa 15:00 Uhr weiter auf durchschnittlich 176 km, wo dann auch die letzten Reste in Riegelform aufgebraucht werden. Wenn nötig gibt es dann noch ein letztes Auffüllen von Getränken (noch einmal, Flüssigkeit ist ungeheuer wichtig!) und das Begleitteam macht sich auf Übernachtungssuche im Umkreis von 20-40 km.
Nach deren Ankunft ist es für die Radler von großer Bedeutung, dem Körper beim Regenieren zu helfen – dies passiert normalerweise mithilfe von ebenfalls Gemüsebasierten Regenerationskapseln und einem proteinhaltigen Shakegetränk (Peeroton Whey).
Nach der persönlichen Hygiene hat man sich dann natürlich ein kleines Bierchen, ein Glas Wein oder ein Cola verdient.
Normalerweise ab 19-20 Uhr folgt ein Rath’sches Abendessen göttlicher Natur, von Reibegerstlsuppe (ein spezielles Teammitglied würde am liebsten darin tauchen…) über Cordon Bleu und Krautfleckerl bis hin zu Curryhuhn ist alles vertreten. Günther kann einfach alles. Auch herausragende Salate, die ebenfalls immer vertreten sind.
Auch eine Nachspeise ist so gut wie immer vertreten - Palatschinken, diverse Puddings, Kekse, Schokolade oder Obstsalat… Wie man will.
Unterm Strich essen wir abends immer drei – bis viergängig, 4000-5000 kcal müssen die Radler dem Körper zuführen.
Zuführen muss ich meinem Körper jetzt eine Partie Schlaf. Der schreit schon förmlich danach.
Ich hoffe wir lesen uns bald wieder, liebe Freunde!
Jakob
Und das Team Nordkap 2011
Datum | Gefahrene Strecke | Nettozeit | Durchschnittsgeschwindigkeit | Aufgestiegene Höhenmeter | Verbrauchte Kalorien |
19.7.2011 | 202 km | 08:10 h | 24,9 km/h | 1178 m | 4800 kcal |
Lehrer und Lausbua? Impressionen aus einem heute als Fotoausstellung genützten, kleinen Fotomuseum unweit von Sveg |
Volle Regenadjustierung auf dem letzten Stückchen heute - v.l.n.r.: Peter Hasenhütl, Wolfgang Hasenhütl, Wolfgang Stieböck |
jakob, es ist herrlich deine zeilen zu lesen!
AntwortenLöschenweiterhin alles gute dem gesamten team!
sende euch gedanklich sonnenstrahlen und kraft aus der heimat!
liebe grüße
gg
Es funktioniert also bestens, Euer Teamwork, lese ich zwischen den Zeilen.
AntwortenLöschenWcht beeindruckend! Weiter so!
LG, Johann
Isst das Begleitteam auch so viel(Frühstück,Abendessen)? Na, dann Mahlzeit!Zu Hause rufen dann das Fitnessstudio,die Laufstrecke....
AntwortenLöschenSo ein Elch ist etwas Beindruckendes,freut mich,dass ihr einen in voller Schönheit sehen konntet. Die besoffenen Schweden hingegen könnt ihr euch sparen, hab diese Spezies auf Mallorca erlebt - grauenhaft!!!!
Weiterhin gute Fahrt durch die "abwechslungsreiche" Landschaft!
Jutta E.
gutes essen hält bekanntlich leib und seele zusammen und natürlich auch eure tüchtigen radler in schuss! an dieser stelle ein großes lob an euren meisterkoch der es, trotz teils massiv erschwerten bedingungen, tagtäglich schafft euch kulinarisch zu verwöhnen :)
AntwortenLöschenalso wünsch ich euch weiterhin "smaklig måltid"
vlg
jakob's schwesterlein
so wie ihr angezogend seid denkt man es schneit gleich. hat günther schon einen steifen GROG gekocht ? soll wunder wirken bei der kälte. nur radfahren geht so und so vorher oder danach nicht mehr.
AntwortenLöschenBin gerade vom Spaziergang bei der Mur mit Figaro zurückgekommen und heilfroh keinem Elch begegnet zu sein ;)
AntwortenLöschenTrotzdem würde ich gerne das erleben was ihr tagtäglich erlebt - allerdings kommt das in meinem Alter nicht mehr in Frage, aber ich bin sehr interessiert und lese jeden Tag gerne euren Blog.
Schreibt weiter so fleissig.
Liebe Grüße,
Nini und Figaro
Hallo!
AntwortenLöschenGratuliere zu Eurer tollen Leistung. Wir sind gerade die umgekehrte Richtung unterwegs. Anna Schiefer aud Flachau, Magdalena Merl aus Oberwölz und Gerald Horn aus Mariahof starteten am 1.7. am norwegischen Polarkreis zur 3000 km langen Charity-Aktion GEGEN DEN WIND HOAM. Wir unterstützen eine Familie mit zwei schwerstbehinderte Kinder und das Seniorenheim Oberwölz. Infos: www.lebensfest.at. Wir werden am 3.8. beim Strassenfest in Flachau und am 6.8. in Oberwölz, unserem Zielort, empfangen.
Gerald Horn fuhr 2010 in 20 Tagen über 4000 km vom Nordkap zum Lebensfest am Mühlsteinboden/Steiermark.
Wir wünschen Euch weiterhin alles Gute und ein gutes Radwetter. Wir hatten bis jetzt sehr viel Regen.
Liebe Grüsse
Gerald Horn