Montag, 25. Juli 2011

Etappe 25: Jet Stream trifft Polarexpress


Gällivare (etwas mehr als 200 km vor der finnischen Grenze) – Karesuando (direkt an der Grenze zwischen Schweden und Finnland)

„So sind wir überhaupt noch nie gefahren.“ – Dem ist heute am Ende des Tages einfach wenig bis gar nichts mehr hinzuzufügen. Die Rekordfahrt, die das Team in den (zwischendurch holprigen) schwedischen Asphalt brannte konnten wir so nicht erwarten. Vor allem nicht Anbetracht der Tatsache dass wir heute noch kurz nach dem Aufwachen noch damit gerechnet hatten, das Hüttendach würde jeden Moment den Kampf gegen die flutartigen Regenfälle in der Früh verlieren. Wieder einmal ein Tag in Schweden, der nicht trocken geblieben war. Nebelbänke hingen wie ein milchig-undurchsichtiger Duschvorhang über der kleinen Stadt Gällivare und die schleichende Feuchtigkeit, die das Potpourrie der Grauslichkeiten noch wunderbar abrundete, schien in jede Faser des Körpers zu kriechen. Denkbar schlechte Vorzeichen für einen wieder einmal langen Tag im Sattel, möchte man meinen. Wenn wir geahnt hätten, wie tief das Radteam von der ersten Sekunde weg ins Gaspedal steigen würde…   

Recht früh in der Etappe war eines klar – da geht heute so richtig was! Zu der konstant wachsenden Motivation gesellte sich ein sehr willkommener Südwind der, und das muss an dieser Stelle erwähnt werden, bei aller Unterstützung auch seine tückischen Seiten haben kann. Unvorhersehbare Böen aus allen Richtungen verlangen vor allem bei Abfahrten ein hohes Maß an Konzentration beim Radfahrer, will dieser nicht unangenehme Bekanntschaft mit dem Straßenbankett machen.
Nach dem unglaublich kräftezehrenden Tag gestern, wo sich die Burschen Kilometer um Kilometer durch Wind und Wetter und gegen die Steigungen plagen mussten, haben wir heute tatsächlich den sportlich besten Tag der gesamten bisherigen Tour zu verzeichnen. Schon zu Mittag zeichnete sich dieser Erfolg ab, als bis zur Pause ein Geschwindigkeitsschnitt von knapp 30 km/H erreicht werden konnte. „Ein schöner Erfolg, mal schauen ob wir den halten können…“ war so ein unausgesprochener Grundgedanke – Halten? Ha, ein müdes Lächeln. Ausgebaut haben sie ihn auf 31,5 km/H... Da wurde sogar das Faktum zur Nebensache degradiert, dass wir heute die 4000-Kilometer-Schallmauer geknackt haben… mit einem 30er Schnitt über diese Distanzgrenze, unglaublich! 

Da fällt einem auch die (ich weiß, wir schreiben das jeden Tag aber es ist einfach so…) immer noch größer werdende Einsamkeit des Landes nicht mehr auf, sehr wohl aber die leichten Veränderungen im Landschaftsbild – es wird alles etwas karger, wobei karg bei der dichten Bewaldung die wir die letzten Tage und Wochen hatten ein relativer Begriff ist, man fühlt sich in den Weiten auf jeden Fall noch ein bisschen verlorener. Wenn man jemals auf eine Straßenkarte geblickt hat, ohne auf einem Ausschnitt mehr als genau eine Straße und rundherum außer Bergen und Waldflächen rein gar nichts eingezeichnet zu sehen, und das über mehrere hundert Kilometer, kann sich nur im Ansatz vorstellen wie weitläufig hier alles ist. Außer Rentieren und ihre „Sammelstellen“, an denen die meist samischen Besitzer ihre Tiere zusammensammeln und gelegentlich einem Auto spielt sich nicht mehr viel ab hier im Grenzgebiet zwischen Schweden und dem dünnen Streifen Finnland, den wir morgen Vormittag durchqueren werden um bereits am Nachmittag Norwegen zu erreichen. 

Bald haben wir es geschafft! Morgen erwartet uns ein Schlag nach Südosten (mangels Straßen unmöglich anders machbar) in Finnland, dem ein wahrer Zick-Zack Kurs durch Norwegen folgt. Danach geht’s nur noch in eine Richtung: Ab nach oben! 

Eine Frage der Hygiene

Wir sind nun schon lange genug zusammen, um über ein für manche Leute vielleicht etwas pikanteres Thema zu berichten. Ich möchte diese heutige Erzählung über die Herausforderungen unserer Tour dem Thema „Hygiene“ widmen. Zunächst einmal gilt es festzuhalten, dass der Begriff sich nicht nur auf persönliche Körperpflege beschränkt, sondern auch eine ganz wesentliche soziale Dimension einnimmt.
Auf der persönlichen Ebene lässt sich vermuten, dass man sich ungepflegt wahrscheinlich nicht besonders wohl fühlen wird, was sich dann wiederum in der Leistungsfähigkeit von sowohl Radlern als auch Begleitern niederschlagen wird. Wenn man mit sich selbst nicht im Reinen (durchaus wörtlich zu verstehen… ;) ) ist, dann kann man es wahrscheinlich auch mit seinen Aufgaben nicht sein.
Viel essentieller ist jedoch in einer Gruppe, die mehrere Wochen auf begrenztem Raum zusammensteckt ist, dass der an sich persönliche Charakter der Hygiene um eine soziale Dimension erweitert wird. Man achtet nicht mehr nur in erster Linie für sich selbst auf sich, sondern auch für die anderen.
Riecht man ein anderes Teammitglied bereits aus 100 Metern Entfernung mit Gegenwind, so wird dies der allgemeinen Stimmung nicht besonders zuträglich sein. 

Interessant ist dabei allerdings, dass aufgrund gewisser Gegebenheiten (vorhandene Infrastruktur, Zeitgründe etc.) die persönliche Hygiene meist auf ein Niveau bewegt wird, dass gerade das nötigste abdeckt – somit ergibt sich die Herausforderung, dieses gesenkte Level mit den Anforderungen sozialer Hygiene zu vereinen. Nicht immer einfach, aber machbar. Harmlose Spinnereien wie den Nichtrasur-Pakt bis zur heilen Heimkehr stören dabei allerdings niemanden, sondern werden im Gegenteil sogar als Belustigung bzw. als Auflockerung wahrgenommen. Auflockern möchte ich euch auch diesen Blog voll an verschiedenen Eindrücken mit folgendem:

Zum Abschluss möchte ich euch, da wir ja heute den 4000er „zerrissen“ haben, eine kurze Statistik anbieten, wo ihr euch über unsere gesammelten Leistungen einen kleinen Überblick verschaffen könnt. 


Gefahrene Strecke in km
Fahrtzeit in h
Durchschnitts-geschwindigkeit in km/h
Aufgestiegene Höhenmeter
Kalorienverbrauch pro Fahrer
Gesamt
4.044,2
161,03
-
21.842
107.945 kcal
Schnitt pro Tag
183,83
7,30
25,20
992,82
5.397,25 kcal

 Dazu der heutige Tag für sich:

Datum
Gefahrene Strecke
Nettozeit
Durchschnittsgeschwindigkeit
Aufgestiegene Höhenmeter
Verbrauchte Kalorien
25.7.2011
223 km
07:08 h
31,50 km/h
1107 m
5100 kcal


 In die beinahe schon Tageshelligkeit hier in Karesuando im äußersten Norden Schwedens werden wir uns alle nun alle fallen lassen und einen Kampf mit dem Schlaf führen, den man sich in den skandinavischen „Nächten“ erst noch verdienen muss!

Eine gute Nacht euch allen!

Wünscht das gesamte Team Nordkap 2011

P.S.: Unsere Schätzungen waren zu pessimistisch, mit dem heutigen Tage haben wir nur noch etwa 500 km ans Nordkap abzuarbeiten! Mit eurer Hilfe werden wir es schaffen! Danke fürs klicken und kommentieren, immer weiter so liebe Leute!!!

Verdiente Pause nachdem der 4000er "zerschmettert wurde - Ihr habts es euch verdient, Burschen!

Zu lang genießen machen wir aber auch nicht - Bloß keinen Stillstand riskieren!

2 Kommentare:

  1. Super Burschen, aufpassen dass euch die Eisbären nicht vernaschen. Das Wetter in Österreich ist genauso grauslich wie im hohen Norden.Weiterhin viel Spaß Energie und Ausdauer und vorallem VIEL GLÜCK pepsch

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  2. Gratulation an die Radler - super Leistung, noch bei diesem Wetter!

    Trotz allem:
    Wenn ihr nach Norwegen kommt, legt eine Gedenkminute ein - das Land versinkt in Trauer.

    Wenn ihr zurück nach Österreich kommt, braucht
    ihr euch wettermäßig vermutlich nicht sehr umstellen, bei uns scheint der Sommer gelaufen zu sein...
    Liebe Grüße aus dem trostlosen Graz
    Jutta E.

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